Grundrechte-Report 2003

Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland

hrsg. von Till Müller-Heidelberg, Ulrich Finckh, Elke Steven, Bela Rogalla, Jürgen Micksch, Wolfgang Kaleck, Martin Kutscha
Redaktion: Katharina Ahrendts, Markus Detjen, Ulrich Finckh, Wolfgang Kaleck, Marei Pelzer, Bela Rogalla, Marek Schauer, Jürgen Seifert, Karl-Ludwig Sommer, Stefan Soost, Eckart Spoo und Elke Steven
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, Juni 2003, ISBN 3-499-23419-X, 238 Seiten, 9.90 €
 

Vorwort der Herausgeber

Grundrechte-Report 2003, S. 13-14

Wer die Grundrechte schützen will, darf nicht vergessen, welchen Schutz sie gewähren sollen. In Frankreich wurden die Menschenrechte gegen die absolutistische Monarchie, in den USA gegen die britische Kolonialherrschaft errungen. Bis heute gibt es weite Gebiete, in denen die Einzelnen keinen Schutz vor staatlichem Terror, vor Folter, vor Diskriminierung, vor willkürlichen Verhaftungen, vor ungerechten Verurteilungen oder Hinrichtungen haben. Vereinigungen werden verboten und verfolgt, wenn sie Kritik vorbringen; Andersdenkende werden angegriffen, Gewerkschaften oder Religionsgemeinschaften verboten, wenn sie den Regierenden nicht passen. Angesichts solcher Praktiken in Unrechtsstaaten muss man sicher festhalten, dass Deutschland ein relativ gefestigter Rechtsstaat ist. Aber auch parlamentarisch beschlossenes Recht kann zu Unrecht im Sinne der Menschenrechte werden – Freiheit kann Schritt für Schritt sterben. Und die Menschenrechte beinhalten nicht nur den Schutz vor staatlichen Eingriffen, sondern schließen soziale und gesellschaftlich-politische Teilhaberechte ein.

Die Grund- und Menschenrechte, die demokratischen und rechtsstaatlichen Verfahrensregeln sollen vor Machtmissbrauch schützen. Damit sie das können, müssen sie eingehalten werden. Aber da gibt es Defizite. Vieles, was an Unrechtsstaaten kritisiert würde, ist bei uns heute gesetzlich ermöglicht: Telefonüberwachung und Kontrolle von Post, Lauschangriffe und Videoüberwachungen, verdachtsunabhängige Personenkontrollen, Beschneiden von Prozessrechten, Demonstrations- und Aufenthaltsverbote, weitgehende Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten, Beschneidung der Rechte von Nichtdeut14 schen und Deutschen mit nichtdeutschen, vor allem islamischen Vorfahren – eine Aufzählung, die schon verdächtig lang und doch nicht vollständig ist. Umso wichtiger ist es, diese Entstehung aufzuzeigen, zu kritisieren und für den Erhalt rechtsstaatlicher Standards einzutreten.

Demokratie hängt vom Engagement der Bürgerinnen und Bürger füreinander – und für die Rechte aller, insbesondere der Minderheiten ab. Deshalb kritisieren wir Fehlentwicklungen und hoffen auf das Mitdenken und Mittun aller, die die Menschenrechte als Grundlage der Freiheit ansehen und sie nicht wegen der Attentate einiger Verbrecher aufgeben wollen. Der Staat, unser Staat, der den Grundrechten verpflichtet ist und sie schützen soll, muss an diese Aufgabe ständig erinnert und bei Rechtsbrüchen ermahnt und angeklagt werden. Nur ein Gemeinwesen, das sich selbst an das Recht hält, kann auf Dauer das Recht und die Freiheit aller erhalten.