Grundrechte-Report 2002

Zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in Deutschland

hrsg. von Till Müller-Heidelberg, Ulrich Finckh, Elke Steven, Jens Neubert, Jürgen Micksch, Wolfgang Kaleck, Martin Kutscha
Redaktion: Katharina Ahrendts, Ulrich Finckh, Jens Neubert, Constanze Oehlrich, Marei Pelzer, Bela Rogalla, Jürgen Seifert, Stefan Soost, Eckart Spoo und Elke Steven
Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg, Juni 2002, ISBN 3-499-23058-5, 271 Seiten, 9.90 €

 

Andrea Böhm

Chronologie 2001

(zusammengestellt auf der Grundlage der Chronologien der Zeitschrift CILIP Bürgerrechte & Polizei), Grundrechte-Report 2002, S. 231-240

Januar 2001

4. 1.: Asylstatistik veröffentlicht: Im Jahr 2000 beantragten 78564 Menschen in Deutschland Asyl, 16549 (17,4 Prozent) weniger als 1999. Dies ist der geringste Stand seit 1987. Hauptherkunftsländer waren der Irak, die Bundesrepublik Jugoslawien, die Türkei und Afghanistan.

8. 1.: Zahl der Todesopfer rechter Gewalt nach oben korrigiert: Die Bundesregierung geht nunmehr von 36 (zuvor 25) Todesfällen mit rechtsextremistischem, fremdenfeindlichem oder antisemitischem Hintergrund in den vergangenen zehneinhalb Jahren aus.

23. 1.: Zahl der Todesopfer deutscher Asylpolitik veröffentlicht: Nach Angaben der Berliner Antirassistischen Initiative sind seit 1993 durch staatliche Maßnahmen 239 Flüchtlinge ums Leben gekommen.

23. 1.: Verfahren gegen Gelöbnis-Gegnerinnen eingestellt: Das Amtsgericht Tiergarten (Berlin) beurteilt die medienwirksame Störung des öffentlichen Soldatengelöbnisses im Juli 1999 durch mehrere nackte Frauen als «groben Unfug», aber nicht als Straftat.

24. 1.: Observation durch Satellit erlaubt: Der Bundesgerichtshof erklärt die Überwachung der PKWs von Beschuldigten durch das satellitengestützte Navigationssystem GPS in Ermittlungsverfahren für rechtmäßig (Az.: 3 StR 324/ 00).

26. 1.: Verbot rechter Aufmärsche an Gedenktagen weiter möglich: Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts können rechtsextremistische Demonstrationen an Gedenktagen auch in Zukunft untersagt werden, wenn dem Tag eine gesellschaftlich wichtige Symbolkraft zukomme (Az.: 1 BvQ 8/01).

Februar 2001

15. 2.: Bosnische Flüchtlinge dürfen bleiben: Die Innenministerkonferenz (IMK) beschließt, bosnischen Flüchtlingen unter bestimmten Voraussetzungen ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland einzuräumen.

21. 2.: Verfolgung von Kriegsverbrechern gestärkt: Der Bundesgerichtshof erweitert die Zuständigkeit deutscher Gerichte auf Körperverletzungsdelikte und Freiheitsberaubungen im Ausland, wie sie während der «ethnischen Säuberungen» in Bosnien-Herzegowina 1992 an muslimischen Zivilisten begangen worden waren (Az.: 3 StR 372/ 00).

März 2001

7. 3.: Mobiltelefon-Überwachung verschärft: Der Bundesgerichtshof veröffentlicht einen Beschluss, in dem die Betreiber von Mobilfunknetzen verpflichtet werden, nicht nur die Gesprächsaufzeichnungen, sondern auch die Positionsmeldungen von Handys an die Ermittlungsbehörden weiterzugeben, auch dann, wenn der oder die Verdächtige nicht telefoniert. Dies ermöglicht die Erstellung eines exakten Bewegungsprofils (Az.: 2 BGs 42 /2001).

14. 3.: Uno-Ausschuss befasst sich mit Anstieg rechter Delikte: Der Rassismusausschuss der UN-Menschenrechtskommission fordert die Bundesregierung auf, die Ursachen für den Anstieg rechtsextremistischer Straftaten in Deutschland zu untersuchen. Eine Regierungsdelegation hatte dem Ausschuss berichtet, dass die Zahl im vergangenen Jahr gegenüber 1999 um 58,9 Prozent in die Höhe geschnellt war.

15. 3.: DNA-Speicherung begrenzt: Das Bundesverfassungsgericht bekräftigt erneut, dass die Gerichte die Speicherung eines DNA-Identifizierungsmusters nur bei Straftaten von erheblicher Bedeutung anordnen dürfen und jeden Einzelfall genau zu prüfen haben. Das Gericht gab der Beschwerde von vier Männern statt, die wegen Diebstahls, Körperverletzung bzw. Haschisch-Kaufs zu Bewährungsstrafen verurteilt worden waren und deren genetische Fingerabdrücke dennoch gespeichert wurden (Az.: 2 BvR 1841/00u.a.).

21. 3.: Proteste gegen Erfassungspraxis der bayerischen Polizei: Der Zentralrat der Sinti und Roma protestiert in einer Presseerklärung ge gen Dateien bei der bayerischen Polizei, in denen Begriffe wie «Zigeunertyp » oder «Personentyp Sinti /Roma» auftauchen. Am 12. 10. gibt das bayerische Innenministerium bekannt, dass die Rubrik «Sinti /Roma» nicht mehr in Polizeiformularen zur Personenbeschreibung geführt werde. Auch Sonderdateien über Autokennzeichen und so genannte Sippenführer von Sinti und Roma werden gesperrt. Die Kategorie «südländisch» bleibt allerdings bestehen.

22. 3.: Beschwerde von Krenz abgewiesen: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt in letzter Instanz die Urteile deutscher Gerichte gegen DDR-Grenzsoldaten und ehemalige Mitglieder der DDR-Führung, darunter den früheren DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz, wegen der Todesschüsse an der deutsch-deutschen Grenze.

24. 3.: Verbot von rechtsextremen Aufmärschen erschwert: Das Bundesverfassungsgericht verfügt, dass eine Versammlung von Rechtsextremisten nur verboten werden darf, wenn die Grenze zur Strafbarkeit überschritten werde. Nur die Erwartung, dass nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet werde, reiche für ein Verbot nicht aus (Az.: 1 BvQ 13/01). Am 11. 5. veröffentlicht das Gericht einen Beschluss, wonach die Behörden Demonstrationen der NPD nicht allein auf Grund des laufenden Verbotsantrages gegen die rechtsextremistische Partei untersagen dürfen (Az. 1 BvQ 21/01, 22 /01).

26. 3.: Demonstrationen gegen Atommüll-Transport: Beim ersten Castor- Transport ins niedersächsische Zwischenlager Gorleben seit mehr als vier Jahren kommt es an mehreren Orten zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Atomkraftgegnern und der Polizei. Am 16. 5. teilt die Staatsanwaltschaft Lüneburg mit, dass insgesamt 462 Strafverfahren im Zusammenhang mit den Castor-Protesten eingeleitet wurden, darunter sechs Verfahren gegen Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt. Am 16. 12. wird bekannt, dass fünf Castor-Blockiererinnen und -blockierer, die sich an ein Gleis gekettet hatten und erst nach Stunden losgeschnitten werden konnten, 166714,95 DM Schadensersatz an die Deutsche Bahn, das Technische Hilfswerk und an den Bundesgrenzschutz zahlen sollen.

29. 3.: Verfassungsschutzbericht publiziert: Danach wurden im Jahr 2000 15951 (1999: 10037) Straftaten mit erwiesenem oder zu vermu tendem rechtsextremistischem Hintergrund erfasst, davon 998 Gewalttaten (1999: 746). Die Zahl linksextremistischer Straftaten wurde mit 3173 (1999: 3055) angegeben, darunter 827 Gewalttaten (1999: 711). Nicht mehr erwähnt werden die JungdemokratInnen/ Junge Linke, die noch im Vorjahr als «linksextremistisch» eingestuft worden waren.

April 2001

5. 4.: Tätigkeitsbericht des Bundesdatenschutzbeauftragten vorgestellt: Der Datenschützer kritisiert im Bericht besonders den rapiden Anstieg der Telefonüberwachungen in Deutschland, deren Zahl von 1995 bis 1999 um über 170 Prozent angestiegen ist; beklagt wird die fehlende Pflicht, über den Erfolg der Maßnahmen zu berichten.

6. 4.:Neues Datenschutzgesetz verabschiedet: Der Bundestag beschließt einstimmig ein neues Datenschutzgesetz gemäß der entsprechenden EURichtlinie von 1995. Zusätzlich zu den europäischen Vorgaben enthält das Gesetz unter anderem Regelungen zur Videoüberwachung öffentlicher Räume.

25. 4.: Rechte von Observierten gestärkt: In einer Entscheidung zum Hamburgischen Polizeigesetz verpflichtet das Bundesverfassungsgericht die Polizei, von ihr heimlich beobachtete Personen möglichst bald über die Observation zu informieren. Zugleich verlangen die Richter, dass Kontakt- und Begleitpersonen der Beschuldigten, zum Beispiel Rechtsanwälte und Pastoren, nur im Ausnahmefall überwacht werden dürfen (Az.: 1 BvR 1104/ 92).

Mai 2001

10. 5.: Neue Bewertungsmaßstäbe für rechtsextreme Straftaten: Die Innenministerkonferenz (IMK) einigt sich auf die Schaffung von bundesweit einheitlichen Kriterien für die Erfassung politisch motivierter Straftaten. Damit soll sich künftig das Ausmaß rechtsextremistischer Delikte in Deutschland in der offiziellen Statistik widerspiegeln.

11. 5.: Geheimdienstliche Abhörmöglichkeiten erweitert: Mit den Stimmen der rot-grünen Koalition und der Unionsfraktion verabschiedet der Bundestag eine Neufassung des Gesetzes zur Einschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G-10-Gesetz). Danach darf der BND künftig auch den glasfasergeleiteten Telefonverkehr in das und aus dem Ausland überwachen. Ebenfalls ausgedehnt wurde der Katalog der Straftatbestände, die eine Überwachung von Telefonaten rechtfertigen.

13. 5.: Inbetriebnahme einer Datenbank über Strafgefangene: Als erstes Bundesland richtet Bayern eine Zentrale Vollzugsdatei (ZVD) ein. Staatsanwälte, Richter und Polizisten können damit von ihren Schreibtischen aus auf die Daten aller Strafgefangenen im Freistaat zugreifen.

Juni 2001

6. 6.: Verfahren über Strafrestaussetzung beschleunigt: Das Bundesverfassungsgericht verfügt, dass zu lebenslanger Haft verurteilte Strafgefangene einen Rechtsanspruch auf eine zügigere Bearbeitung ihres Antrages auf vorzeitige Entlassung haben (Az.: 2 BvR 828/01).

11. 6.: Hausdurchsuchung bei NPD-Anwalt Mahler: Staatsanwaltschaft und Polizei durchsuchen die Berliner Büros und Privaträume des NPD-Anwalts Horst Mahler. Er wird beschuldigt, antisemitische und ausländerfeindliche Texte ins Internet gestellt zu haben. Am 3. 7. entscheidet das Bundesverfassungsgericht, dass Mahler die am 11. 6. beschlagnahmten Unterlagen «unverzüglich» zurückbekommen müsse, um das NPD-Verbotsverfahren nicht zu beeinträchtigen (Az.: 2 BvB 1/01u.a.).

22. 6.: Videoüberwachung in Fulda beginnt: Eine 100000 DM teure, vollautomatische Videoüberwachungsanlage wird auf dem Bahnhofsvorplatz von Fulda in Betrieb genommen. Der Ort ist nach Hofheim und Frankfurt /M. bereits die dritte hessische Stadt, in der öffentliche Plätze videoüberwacht werden.

Juli 2001

4. 7.: Geldwäsche-Urteil gegen Strafverteidiger: Der Bundesgerichtshof bestätigt die Verurteilung zweier Anwälte zu Bewährungsstrafen von neun Monaten. Das Landgericht Frankfurt/M. hatte entschieden, dass Anwälte für ihre Dienste kein Geld entgegennehmen dürfen, das aus einer Straftat herrührt (Az.: 2 StR 513/ 00).

4. 7.: Keine Veröffentlichung von Kohls Stasi-Akten: Das Verwaltungs gericht Berlin gibt der Klage des Alt-Bundeskanzlers statt. Die Gauck- Behörde darf künftig personenbezogene Akten nur mit Kohls Erlaubnis an Medien oder Wissenschaftler geben (Az.: VG 1 A 389.00).

6. 7.: Gesetz erweitert Zeugnisverweigerungsrecht: Der Bundestag dehnt das journalistische Zeugnisverweigerungsrecht auf selbst recherchierte Materialien und alle «berufsbezogenen Wahrnehmungen» aus. Es gilt künftig auch für nichtperiodische Druckwerke, Informationsund Kommunikationsdienste sowie Filmberichte.

16. 7.: Ausreiseverbot für Demonstrantinnen und Demonstranten: Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigt vor dem G-8-Gipfel in Genua verhängte Ausreiseverbote und Meldeauflagen gegen zwei Globalisierungsgegner (Az.: VG 1 A 232.01, 233.01). Am 25. 8. wird bekannt, dass die deutsche Polizei im Vorfeld des Gipfels elf Personen an der Ausreise nach Italien gehindert hat. 749 Personen wurden länger als eine Stunde festgehalten.

18. 7.: Demonstration gegen öffentliches Gelöbnis verboten: Das «Büro für antimilitaristische Maßnahmen» darf nur mit einem Abstand von 200 Metern vom Bendlerblock in Berlin demonstrieren. Zwei Versammlungen, die unmittelbar am Gelöbnisort stattfinden sollten, werden vom Berliner Verwaltungsgericht untersagt (Az.: VG 1 A 234.01, 239.01).

27. 7.: Asylbewerber bei Abschiebung durch BGS-Beamte erdrückt: Ein Rechtsmedizin-Gutachten stellt fest, dass drei Bundesgrenzschutzbeamte Aamir Ageeb während der Abschiebung am 28. Mai 1999 durch Niederdrücken erstickt haben (vgl. Grundrechte-Report 2001, S. 63). Dem Sudanesen wurden dabei mehrere Rippen gebrochen. Ein Motorradhelm, der zunächst als Ursache für das Ersticken gegolten hatte, habe dagegen keine entscheidende Rolle gespielt. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat noch nicht entschieden, ob die Beamten wegen fahrlässiger Tötung angeklagt werden.

August 2001

1. 8.: Bahn will härter gegen «Problemgruppen» vorgehen: Das Testprojekt «Sicherer Bahnhof», das bisher in Frankfurt/ Main, Essen, Hamburg und Berlin das subjektive Sicherheitsempfinden der Fahrgäste steigern soll, wird auf die Bahnhöfe Berlin-Zoo, Hannover, Dresden und Neustadt ausgedehnt. Sonderstreifen mit «Mehrzweck-Rettungsstock » sollen Randalierer, aggressive Bettler sowie Dealer und Junkies aus größeren Bahnhöfen vertreiben.

8. 8.: BKA baut Fingerabdruck-Datei aus: In das automatisierte Fingerabdruck- Identifizierungssystem (AFIS) des BKA werden künftig auch Abdrücke von Handflächen aufgenommen.

9. 8.: Polizeispitzel darf Täter nicht anstiften: Der Bundesgerichtshof entscheidet, dass polizeiliche Lockspitzel einen Haschischhändler nicht zu wesentlich schwerer wiegenden Straftaten als von ihm geplant verleiten dürfen (Az.: 1 StR 42 /01).

12. 8.: Kritik an Handy-Ortungssystem der Polizei: Das Bundesinnenministerium widerspricht einem Bericht des Spiegel, wonach die Polizei eine Anlage zur Ortung von Handy-Kennnummern (IMSI-Catcher) illegal eingesetzt habe. Das Vorgehen sei durch die Strafprozessordnung abgedeckt. Die Polizeibehörden berufen sich seit einer 1999 ausgelaufenen Versuchsfunkgenehmigung beim Einsatz auf den «rechtfertigenden Notstand».

30. 8.: Ingewahrsamnahme von Castor-Gegnern rechtswidrig: Atomkraftgegner stellen acht Urteile des Verwaltungsgerichts Münster vor, in denen die polizeiliche Ingewahrsamnahme während des Castor-Transportes im März 1998 als rechtswidrig bezeichnet wird. Das Gericht beanstandete, dass in keinem Fall die vorgeschriebene richterliche Entscheidung eingeholt worden sei.

September 2001

1. 9.: Bayern legalisiert Videoüberwachung: Nach der in Kraft getretenen Änderung des Polizeiaufgabengesetzes darf die Polizei zur Gefahrenabwehr und an so genannten gefährlichen Orten, sofern sie öffentlich zugänglich sind, Bild- und Tonaufzeichnungen anfertigen.

4. 9.: Freispruch für Schill: Der Bundesgerichtshof hebt ein Urteil des Landgerichts Hamburg gegen den Hamburger Amtsrichter (und jetzigen Innensenator) Ronald Schill wegen Rechtsbeugung im Amt auf. Nicht jede fehlerhafte Auslegung von Verfahrensrecht sei gleich ein Rechtsbruch (Az.: 5 StR 92/01).

13. 9.: Neues Polizeigesetz in Bremen in Kraft: Zulässig sind nun unter anderem verdeckte Datenerhebungen zum Beispiel durch V-Personen, verdeckte Ermittler oder technische Mittel sowie Videoüberwachung an öffentlichen Orten. Legalisiert wird auch der gezielte Todesschuss. Eine neuerliche Änderung des Gesetzes, die Rasterfahndung und Wohnungsverweisung ermöglicht, tritt am 27. 10. in Kraft.

19. 9.: Erstes Anti-Terror-Maßnahmenpaket beschlossen: Nach den Terroranschlägen in den USA am 11. 9. verabschiedet die Bundesregierung ein erstes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung des Terrorismus. Es beinhaltet unter anderem die Abschaffung des so genannten Religionsprivilegs im Vereinsrecht und die Ausweitung des Anti-Terrorismus-Paragraphen 129a im Strafgesetzbuch mit dem Zusatz 129b auf ausländische Organisationen. Zudem soll Bekämpfung der Geldwäsche intensiviert werden. Am 8. 12. tritt das Gesetz über die ersatzlose Streichung des Religionsprivilegs ( § 2 Abs. 2 Nr. 3 Vereinsgesetz) in Kraft.

Oktober 2001

1. 10.: Beginn der bundesweiten Rasterfahndung: Nachdem sich die Innenminister der Bundesländer am 28. 9. auf einheitliche Kriterien geeinigt haben, wird die Rasterfahndung zur Aufspürung mutmaßlicher islamischer Terroristen auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt. Zuvor hatten mehrere Bundesländer bereits auf Landesebene mit der Rasterfahndung begonnen.

17. 10.: Durchsuchung bei Online-Demonstrantinnen und Demonstranten: Die Polizei Frankfurt /Main durchsucht die Räume der Initiative «Libertad ». Gemeinsam mit 150 Menschenrechtsgruppen hatte diese zu einer Online-Demonstration gegen die Abschiebung von Flüchtlingen durch die Lufthansa aufgerufen, der am 20. 6. über 13500 Menschen nachkamen.

24. 10.: Bundesregierung beschließt Telekommunikationsüberwachungsverordnung: Die Verordnung regelt die von Internet-Providern und anderen Diensteanbietern einzuhaltenden technischen und organisatorischen Vorkehrungen zum Abhören der Telekommunikation.

24. 10. Anketten bei Sitzblockaden als gewaltsame Nötigung eingestuft: Das Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass Demonstranten, die sich bei Blockadeaktionen zusammenketten und dadurch eine «physische Barriere» errichten, wegen gewaltsamer Nötigung bestraft werden können (Az.: 1 BvR 1190/90u.a.).

25. 10.: Neues Polizeirecht in Mecklenburg-Vorpommern in Kraft: Danach ist die akustische Wohnraumüberwachung (Großer Lauschangriff) zur vorbeugenden Verbrechensbekämpfung nicht mehr zulässig; außerdem sind Kontrollmaßnahmen außerhalb des 30 Kilometer tiefen Grenzgebietes an engere Voraussetzungen geknüpft. Beide Änderungen waren auf Grund von Verfassungsgerichtsurteilen notwendig geworden.

26. 10.: Gericht billigt Videoüberwachung: Das Verwaltungsgericht Karlsruhe entscheidet, dass die Videoüberwachung an öffentlichen Plätzen mit den geltenden Gesetzen vereinbar ist. Es billigt die Einrichtung von Überwachungskameras an mehreren Stellen in Mannheim, an denen die Kriminalitätsrate besonders hoch ist (Az.: 11 K 191/01).

November 2001

9. 11.: Anti-Terror-Programm verabschiedet: Der Bundestag billigt die Erhöhung der Tabak- und Versicherungssteuer zur Finanzierung des Anti-Terror-Programms der Bundesregierung im Umfang von drei Milliarden DM. Die Hälfte der Summe ist für die Bundeswehr reserviert, das Bundesinnenministerium wird «nur » mit 500 Millionen DM und der Bundesnachrichtendienst (BND) mit 50 Millionen DM bedacht.

12. 11.: Zahl der abgehörten Telefongespräche veröffentlicht: Im Jahr 2000 wurden in 3353 Fällen Überwachungen nach § § 100a, 100b StPO angeordnet, zehn Prozent mehr als 1999.

27. 11.: Ausforschung des «Marxistischen Forums» eingestellt: Der Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD) gibt bekannt, dass der Berliner Verfassungsschutz die PDS-Gruppierung nicht mehr beobachten werde. Damit steht in der Hauptstadt nur noch die «Kommunistische Plattform» innerhalb der PDS unter Beobachtung.

Dezember 2001

12. 12.: Brechmitteleinsatz endet tödlich: Ein Kameruner stirbt drei Tage nachdem ihm bei einem Polizeieinsatz in der Hamburger Universitätsklinik Eppendorf gewaltsam ein Brechmittel verabreicht wurde. Der 19-Jährige, der 41 Kügelchen mit Rauschgift verschluckt hatte, war unmittelbar nach der Zwangseinflößung ins Koma gefallen. Der Hamburger Senat kündigte an, an dem Einsatz von Brechmitteln bei mutmaßlichen Drogendealern festzuhalten.

14. 12.: Umfangreiches Anti-Terror-Gesetzespaket abgesegnet: Der Bundestag stimmt dem so genannten zweiten Sicherheitspaket von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) zu, mit dem etliche Gesetze und Verordnungen geändert werden. Das «Terrorismusbekämpfungsgesetz » sieht unter anderem erweiterte Kompetenzen für die Geheimdienste und die Aufnahme biometrischer Daten in Personaldokumente vor. Am 20. 12. passiert das Gesetz den Bundesrat.

18. 12.: Hamburger Polizeikommission aufgelöst: Der Hamburger Senat verkündet das Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über die Polizeikommission vom 16. 6. 1998. Die bundesweit einzigartige Polizeikommission war ein unabhängiges Gremium, dass die Rechtmäßigkeit polizeilicher Eingriffe und die Bürgerfreundlichkeit der Ordnungskräfte von Staats wegen überprüfen sollte.